Idee

Und was macht ihr jetzt?

Die Loge. 4 qm auf einem historischen Grundriss. Es ist ein kleiner romantischer Raum, in einem Haus das noch vor dem ersten Weltkrieg gebaut worden ist. Es liegt im alten Zeitungsquartier, wo aufständische Arbeiter 1919 gegen die Freikorps kämpften und wo sich amerikanische Panzer 1961 gegen den Osten wandten. Du fasst den Sandstein der Fassade an und du fühlst Geschichte.

Und auf der Straße bist Du dann in einem Strom von Touristen, die daheim ein Foto vom Checkpoint Charlie zeigen möchten.

Aber genau dieses Zusammenspiel von historischer Aufladung, soziokultureller Relevanz und der glücklichen Entdeckung eines Raumes, der seine ganz besondere formale und inhaltliche Disposition hat, das hat uns an dieser Stelle gereizt.

Vielleicht musst Du sagen, dass wir seit 1990, als wir begonnen haben, gemeinsam kuratorisch zu arbeiten, immer wieder von Situationen angezogen waren, die eine vergleichbare Qualität hatten, und in denen wir letztendlich immer hofften, Hinweise auf das zu geben, was wir Schönheit im Alltag nennen.

Meistens ist es größer gewesen.

Das stimmt. Aber ganz unabhängig von der Größe unserer Räume ging es immer um einen sozial orientierten Diskurs, sowohl im Austausch mit anderen Künstlern und Denkern, wie auch mit unseren Besuchern, die wir, wie hier, allerdings meistens niemals gesehen haben.

Ja, wir treten nur zu den Eröffnungen auf, haben keine Mitarbeiter, bespielen den Raum als Vitrine und erlauben es nur manchmal hineinzugehen. Wir werben nicht und wir verkaufen nicht. Wir zeigen ausschließlich was uns gefällt, wollen uns unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen bewegen und uns so natürlich auch unsere Freiheit bewahren.

Eigentlich ist die Loge so etwas wie eine Kapelle am Wegesrand, eine Art  Bildstock der dem „Wanderer“ etwas eröffnet. Vielleicht ein Stück Bewusstsein für die Qualität der Beschränkung und der Konzentration. Neben all den Kathedralen, um im sakralen Kontext zu bleiben, die über diese Stadt verteilt sind, halten wir das für eine gute Alternative.

Es hat sehr viel damit zu tun, dass wir das Laute, das Überladene und das Prahlerische seit Langem satt haben. Es stößt uns immer stärker ab. 4qm und immer nur eine Arbeit, das reicht uns hier und heute vollkommen aus.

Martin Mlecko († 25.09.2016) und Wolfgang Schöddert in einem Gespräch mit Veronique Tallez im Mai 2005